Nesselsucht
Die Nesselsucht (Urtikaria) zählt zu den häufigen Hauterkrankungen. Typisch sind stark juckende Quaddeln und Hautrötungen. Die häufigste Form ist die akute Urtikaria. Etwa bei jedem Fünften tritt dieser Hautausschlag mindestens einmal im Leben auf.
Nesselsucht: Was ist das?
Ärzte fassen unter dem Begriff Urtikaria eine Gruppe von Erkrankungen der Haut zusammen. Alle Formen der Nesselsucht haben ein bestimmtes Reaktionsmuster der Haut gemeinsam, nämlich die Entwicklung von Quaddeln und/oder tiefe Schwellungen unter der Haut beziehungsweise Schleimhaut (sog. Angioödeme).
Was sind Quaddeln?
Quaddeln (lat.: Urtica) erinnern in ihrem Erscheinungsbild an die Reaktion der Haut nach Kontakt mit Brennnesseln – daher wird die Urtikaria auch als Nesselsucht bezeichnet.
Quaddeln weisen in der Regel drei typische Merkmale auf:
- Oberflächliche Schwellung der Haut, die fast immer von einer Rötung (Erythem) umgeben ist.
- Teils starker Juckreiz, selten auch Brennen der Haut.
- Die Quaddeln werden als „flüchtig“ bezeichnet: Das bedeutet, dass sie meist innerhalb von kurzer Zeit (ca. 24 Stunden) abklingen.
Was ist ein Angioödem?
Plötzlich auftretende, tiefe Schwellungen unter der Haut oder der Schleimhaut werden als Angioödeme bezeichnet. Sie können im Rahmen verschiedener Erkrankungen auftreten, unter anderem auch bei Nesselsucht. In diesem Fall können die betroffenen Bereiche nicht nur geschwollen, sondern auch gerötet sein, schmerzen oder jucken.
Prinzipiell können Angioödeme am ganzen Körper auftreten. Besonders häufig sind jedoch Gesicht (Lippen, Augenlider), Hände, Füße, Arme, Beine und Genitalien betroffen. Wenn die Zunge oder die Schleimhaut in den Atemwegen anschwillt und die Atmung so behindert wird, kann es schnell lebensgefährlich werden.
Angioödeme bleiben im Vergleich zu den Quaddeln deutlich länger bestehen – es kann mehrere Tage dauern, bis sie verschwinden.
Nesselsucht: Formen und Auslöser
Die Urtikaria lässt sich in verschiedene Formen und Unterformen einteilen. So kann man etwa nach Krankheitsdauer zwischen akuter und chronischer Urtikaria unterscheiden:
- Akut: Dauer bis zu maximal 6 Wochen
- Chronisch: Dauer länger als 6 Wochen
Gut zu wissen: Eine seltene Sonderform der akuten Nesselsucht ist die allergische Urtikaria. Dabei wird die Hautreaktion durch den Kontakt mit einem Allergen ausgelöst. In der Folge treten Quaddeln am gesamten Körper auf. In seltenen Fällen kommt es zusätzlich zu Gesichtsschwellungen, Atembeschwerden oder einem Kreislaufschock.
Eine weitere Unterscheidung erfolgt nach dem jeweiligen Auslöser der Nesselsucht:
- Spontane Urtikaria: Die Nesselsucht tritt ohne bekannte Ursache auf
- Induzierbare Urtikaria: Das Auftreten der Nesselsucht kann durch bestimmte Auslöser provoziert werden
Die induzierbare Urtikaria umfasst Nesselsucht-Formen, die sich durch bestimmte, meist physikalische Reize auslösen lassen. Mögliche Auslöser sind beispielsweise:
- Kälte: Bei der sogenannten Kälteurtikaria entwickeln sich juckende Quaddeln oder Angioödeme z. B. nach Kontakt der Haut mit kalter Luft, kaltem Wasser oder kalten Gegenständen. Die Beschwerden halten meist etwa eine Stunde an.
- Wärme: Typisch für die Wärmeurtikaria sind Juckreiz und/oder Brennen sowie die Bildung von Quaddeln innerhalb von Minuten, nachdem die Haut Wärme ausgesetzt war (z. B. nach einer heißen Dusche oder einem Sonnenbad).
- Druck: Schwellung und Rötung treten auf, nachdem anhaltender Druck auf die Haut ausgeübt wurde (z. B. durch den Schultergurt einer Tasche). Meist bilden sich die Quaddeln erst mit einer Verzögerung von 3 bis 12 Stunden. Daher heißt diese Form der Nesselsucht auch verzögerte Druckurtikaria. Die Beschwerden können bis zu 72 Stunden andauern.
- Scherkräfte: Bei der sogenannten Urtikaria factitia (auch: urtikarieller Dermographismus) bilden sich nach kräftigem Reiben oder Kratzen der Haut strichförmige, juckende und/oder brennende Quaddeln.
- Sonnenlicht: Bei der sogenannten Lichturtikaria treten Quaddeln sowie Juckreiz und/oder Brennen meist innerhalb weniger Minuten auf, wenn die Haut UV-Strahlung ausgesetzt wird.
- Erhöhte Körpertemperatur: Bei der sogenannten cholinergischen Urtikaria bilden sich juckende Quaddeln und Hautrötungen zum Beispiel nach dem Sport oder durch scharfe Speisen. In der Regel verschwinden die Symptome nach spätestens einer Stunde.
- Kontakt mit bestimmten Substanzen: Die sogenannte Kontakturtikaria wird durch den Kontakt der Haut mit bestimmten Stoffen (z. B. Brennnessel, Tier- oder Pflanzenallergene, bestimmte Arzneimittel) ausgelöst. Innerhalb von etwa 30 Minuten zeigen sich die Symptome.
- Wasser: Bei der aquagenen Urtikaria bilden sich Quaddeln oder Angioödeme innerhalb von 30 Minuten nach Kontakt der Haut mit Wasser – unabhängig von dessen Temperatur.
- Vibration: Hautschwellungen und Juckreiz treten bei der vibratorischen Urtikaria innerhalb von Minuten auf, nachdem die Haut Vibration (z. B. durch Arbeit mit einem Presslufthammer) ausgesetzt wurde.
Die genauen Ursachen für die Entstehung der unterschiedlichen Urtikaria-Formen sind weitestgehend unbekannt. Speziell bei der chronischen spontanen Urtikaria scheinen Einflüsse wie chronische Infektionen (z. B. Nasennebenhöhlenentzündung), eine Besiedlung des Magens mit dem Bakterium Helicobacter pylori sowie Autoimmunerkrankungen eine Rolle zu spielen.
Gut zu wissen: Wie viele andere Hauterkrankungen, kann sich auch die Urtikaria bei Stress verschlimmern.
Nesselsucht: Was passiert im Körper?
Die Entstehung einer Nesselsucht ist ein sehr komplexer Prozess. Von besonderer Bedeutung sind dabei die sogenannten Mastzellen in der Haut und/oder Schleimhaut. Sie werden bei Betroffenen durch verschiedene Faktoren (z. B. Kälte, Druck) aktiviert und schütten Botenstoffe – unter anderem Histamin – aus, die Entzündungsreaktionen fördern.
Histamin löst nicht nur Juckreiz aus, sondern bewirkt auch eine Weitstellung der Gefäße und erhöht ihre Durchlässigkeit. Die Folge: Es kommt zu Hautrötungen und zu einem vermehrten Austritt von Flüssigkeit ins Gewebe, wodurch die Quaddeln bzw. Schwellungen entstehen. Histamin ist auch bei echten allergischen Reaktionen wie etwa bei Heuschnupfen oder Hausstauballergien maßgeblich an der Auslösung der Symptome beteiligt.
Ist eine Urtikaria allergisch bedingt, werden die Mastzellen durch den Kontakt mit bestimmten Allergenen aktiviert – dies ist jedoch äußerst selten der Fall. Aufgrund welcher Mechanismen die Mastzellen bei den übrigen Formen der Nesselsucht aktiviert werden, ist nicht abschließend geklärt.
Gut zu wissen: Eine „echte“ allergische Nesselsucht ist äußerst selten. Allerdings spielen häufiger pseudoallergische Reaktionen, zum Beispiel auf Medikamente oder Nahrungsmittel, eine wichtige Rolle.
Nesselsucht: Behandlung
Eine Urtikaria kann auf Dauer sehr belastend sein – vor allem auch aufgrund des oft starken Juckreizes. Daher ist eine effektive Behandlung für Betroffene sehr wichtig. Meist besteht diese aus verschiedenen Bausteinen, die je nach Art der Nesselsucht und der Schwere der Symptome angepasst werden können.
Auslöser meiden – Quaddeln vorbeugen
Die wichtigste Maßnahme bei Nesselsucht ist, bekannte Auslöser zu meiden. Das ist jedoch oftmals leichter gesagt als getan. Je nach Auslöser können Sie Folgendes ausprobieren:
Nahrungsmittel: Reagieren Sie nur auf ganz spezielle Nahrungsmittel mit Symptomen, kann ein Verzicht relativ einfach umzusetzen sein. Schwieriger wird es beispielsweise, wenn viele verschiedene Lebensmittel problematisch sind – etwa bei einer Histaminintoleranz. In diesem Fall kann eine Ernährungsberatung hilfreich sein.
Medikamente: Setzen Sie Arzneimittel keinesfalls selbstständig ab. Fragen Sie stattdessen Ihren Arzt, ob zum Beispiel der Wechsel zu einem anderen Wirkstoff möglich ist, den Sie besser vertragen.
Druckurtikaria: Hilfreich kann es zum Beispiel sein, wenn Sie nur Rucksäcke oder Taschen mit breiten Trägern wählen. Achten Sie zudem auf möglichst bequem sitzende, nicht einschnürende Kleidung.
Kälte- und Wärmeurtikaria: Wenn Kälte oder Wärme die Quaddeln hervorrufen, ist es im Alltag oft recht schwierig, die Auslöser komplett zu meiden. Viele Betroffene können jedoch den jeweiligen Reiz bis zu einer gewissen Intensität tolerieren, ohne dass sich Quaddeln bilden. Diese sogenannte Toleranzschwelle kann mithilfe spezieller Tests beim Arzt ermittelt werden. Wer seine individuelle Toleranzschwelle kennt, kann dies berücksichtigen und so der Quaddelbildung vorbeugen.
Mittel gegen Nesselsucht
Auch Medikamente spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Urtikaria. Hierzu stehen verschiedene Mittel zur Verfügung – zum Beispiel:
Antihistaminika: Sie sind das Mittel der ersten Wahl bei Nesselsucht. Denn sie hemmen die Wirkung des Botenstoffs Histamin, der maßgeblich für die Entstehung der Symptome verantwortlich ist.
Glukokortikoide: In schweren Fällen kann zusätzlich eine kurzzeitige Behandlung mit hochdosierten kortisonhaltigen Arzneimitteln notwendig sein – zum Beispiel, wenn Antihistaminika nicht ausreichend gegen die Nesselsucht-Symptome helfen. Meist werden diese Mittel in Tablettenform verordnet, in akuten Fällen oftmals auch als Infusion. In manchen Fällen können auch kortisonhaltige Salben zum Einsatz kommen, beispielsweise bei Druckurtikaria. Um das Risiko für Nebenwirkungen zu senken, sollte Kortison so kurzzeitig und niedrig dosiert wie möglich angewendet werden.
Wichtig: Setzen Sie die Medikamente niemals selbstständig ab, sondern besprechen Sie das Vorgehen mit Ihrem Arzt. Denn kortisonhaltige Mittel dürfen nicht plötzlich abgesetzt werden, sondern müssen nach einem bestimmten Schema „ausgeschlichen“ werden.
Leukotrien-Antagonisten: Diese entzündungshemmenden und antiallergischen Arzneimittel können bei schwer behandelbarer Nesselsucht zum Einsatz kommen. Ärzte verschreiben sie beispielsweise zusätzlich, wenn bei einer chronischen Urtikaria Antihistaminika allein nicht ausreichen. Aber auch bei anderen Nesselsucht-Formen können Leukotrien-Antagonisten eingesetzt werden, wenn andere Mittel nicht ausreichend wirken.
Immunsuppressiva: Diese Arzneistoffe unterdrücken die Immunabwehr und können so die Symptome bei Urtikaria lindern. Ärzte verschreiben Immunsuppressiva bei manchen Patienten mit chronischer Nesselsucht zusätzlich zu einem Antihistaminikum, wenn sich die Beschwerden nicht anders lindern lassen. Zur Standardtherapie bei Urtikaria zählen Immunsuppressiva jedoch nicht. Bei der Behandlung mit den Mitteln ist eine engmaschige Beobachtung durch den Arzt wichtig, um eventuelle Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.
Antikörpertherapie: Vor allem bei der chronischen spontanen Urtikaria kann eine zusätzliche Therapie mit einem speziellen Anti-IgE-Antikörper sinnvoll sein, wenn die Behandlung mit Antihistaminika nicht ausreichend wirkt. Durch die Antikörpertherapie wird die Ausschüttung entzündungsfördernder Botenstoffe wie Histamin aus den Mastzellen blockiert.
Weitere Arzneimittel: Vor allem die chronische Nesselsucht ist oftmals schwer zu behandeln. Dann können Ärzte ausnahmsweise auch Arzneimittel verordnen, die wirksam sein können, aber zur Behandlung der Nesselsucht eigentlich nicht zugelassen sind (sog. Off-label-use). So kommen in manchen Fällen beispielsweise Antibiotika oder spezielle Malariamittel zum Einsatz.
Nesselsucht: Gewöhnungstherapie
In einigen Fällen kann auch eine Gewöhnungstherapie, auch „Hardening“ (Abhärtung) genannt, infrage kommen. Sie bietet sich zum Beispiel an, wenn Antihistaminika bei einer Lichturtikaria nicht richtig wirken. Die Gewöhnungstherapie erfolgt dann unter ärztlicher Aufsicht: Dazu wird die Haut gezielt und wiederholt einer festgelegten Dosis an UV-Strahlung ausgesetzt. Auf diese Weise soll der Körper allmählich an das Licht gewöhnt werden. Ziel ist es, die Toleranzschwelle langsam zu erhöhen. Ähnlich lassen sich in manchen Fällen auch eine cholinergische oder eine Kälteurtikaria behandeln – zum Beispiel durch gezielte körperliche Anstrengung oder regelmäßige kühle Duschen.
Wichtig: Führen Sie eine Gewöhnungstherapie nie auf eigene Faust durch. Da sie sehr belastend sein kann, sollte sie stets ärztlich begleitet werden.
Tipps bei Nesselsucht
Was tun bei Nesselsucht? Hier erfahren Sie, was Sie selbst tun können, um den Umgang mit der Nesselsucht im Alltag zu erleichtern.